Wenn wichtige Medikamente ihr Patentschutz verlieren, versuchen Pharmaunternehmen oft, ihre Gewinne durch Klagen, Patentverlängerungen oder den Fokus auf andere Produkte zu schützen. Besonders Unternehmen, deren Medikamente in diesem Jahr mit starker Konkurrenz rechnen müssen, setzen auf eine Kombination dieser Maßnahmen. “Die Produktpipelines sind sehr gut gefüllt”, sagt Eduardo Schur, Leiter der US-Gesundheits- und Wellness-Strategie sowie der Forschung und Entwicklung bei EY. Defensive Strategien können zwar Zeit gewinnen, reichen aber nicht aus. Um Einnahmeverluste auszugleichen, müssen Unternehmen bei der Markteinführung neuer Medikamente schnell handeln. Bis zu 67 % der neuen Medikamente erreichen ihre Verkaufsziele nicht, wie eine EY-Studie zeigt. Oft scheitern Markteinführungen an veralteten Marketingstrategien. Ohne neue Ansätze wird sich die Erfolgsquote kaum verbessern, warnt Schur. Hier sind drei wichtige Medikamente, deren Patentschutz 2025 ausläuft – und was die Hersteller tun, um die Verluste abzufedern. Johnson & Johnsons Stelara, ein Blockbuster-Medikament gegen Autoimmunerkrankungen, erzielte 2023 weltweit fast 11 Milliarden Euro Umsatz. Doch Biosimilars in Europa und den USA haben die Verkäufe im zweiten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 Milliarden Euro gedrückt. In seinem letzten Geschäftsbericht hat J&J den Fokus auf andere Immunologie-Medikamente wie Tremfya gelegt, das die Verluste ausgleichen konnte. Die Verkäufe stiegen im zweiten Quartal 2025 um 4,9 %. Amgen kämpft mit Umsatzeinbußen bei seinem Osteoporose-Medikament Prolia. Um die Lücke zu schließen, stärkt das Unternehmen seine Position im Bereich seltene Krankheiten durch Übernahmen wie Horizon Therapeutics und baut sein Biosimilar-Portfolio aus. “Die Markteinführungen sind herausfordernd, und die Akzeptanz neuer Technologien verläuft langsam”, sagt Schur. Obwohl die Prolia-Verkäufe im ersten Quartal 2025 um 10 % auf 1,1 Milliarden Euro stiegen, erwartet Amgen im zweiten Halbjahr einen Rückgang, da Konkurrenten wie Sandoz’ Jubbonti, das erste austauschbare Biosimilar für Prolia, auf den Markt kommen. Auch Regenerons Eylea, ein Medikament gegen Augenerkrankungen, steht unter Druck. Neben Biosimilar-Konkurrenten verliert es Marktanteile an Genentechs Vabysmo, einem Bispezifischen Antikörper, der seit 2022 zugelassen ist. Regeneron hat jedoch mit einer Hochdosis-Version von Eylea reagiert, die den Wettbewerb verzögert. Zudem hat das Unternehmen Klagen gegen potenzielle Konkurrenten eingereicht und konnte so vier von fünf zugelassenen Biosimilars vorerst blockieren. Amgen’s Pavblu darf auf den Markt, und Regeneron hat Biocon Biologics erlaubt, Yesafili ab der zweiten Hälfte 2026 anzubieten. Um die Einnahmeverluste zu bewältigen, müssen Pharmaunternehmen ihre veralteten Markteinführungsstrategien überarbeiten. “Die Markteinführungen sind herausfordernd, und die Akzeptanz neuer Technologien verläuft langsam”, betont Schur. Die Herausforderungen entstehen durch veränderte Arzt-Patienten-Beziehungen und strengere Prüfungen durch Kostenträger. Verkaufsmitarbeiter haben heute keinen einfachen Zugang zu Ärzten. Stattdessen müssen sie ganze Gesundheitssysteme ansprechen. Unternehmen sollten wissenschaftliche und wertorientierte Argumente nutzen, um Kunden zu überzeugen – eine Aufgabe für die medizinische Abteilung, so Schur. Zudem braucht es maßgeschneiderte Botschaften, die auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen eingehen. Die neue Marketing-Landschaft erfordert neue Werkzeuge. “Viele Unternehmen versuchen jetzt, digitale Mittel besser zu nutzen, aber die Umsetzung verläuft langsam”, sagt Schur. EY-Daten zeigen, dass eine Marketing-Transformation dringend nötig ist, um potenzielle Einnahmeverluste von 230 Milliarden Euro bis 2030 abzufedern. In den nächsten fünf Jahren werden mehr Produkte auf den Markt kommen als in den vergangenen zehn Jahren zusammen – und der Druck auf die Pharmaunternehmen, sich anzupassen, steigt.